Geschichte und Aktionen

Dekanatspartnerschaft Rothenburg o. d. T. und Hai, Kilimanjaro: Ein wenig Geschichte

Der Berg ruft...
...das konnte der damalige Rothenburger Dekan Johannes Rau ganz deutlich hören – und so machte er sich 1979 auf zu einem Besuch in Tansania und landete im Dekanat Hai, gelegen an den südwestlichen Ausläufern des Kilimanjaro. Es kam zu einer Begegnung mit dem damaligen tansanischen Bischof Erasto Kweka und dem früheren Dekan Josef Massawe und mündete 1982 in eine lebendige und bewährte Partnerschaft zwischen beiden Dekanaten. Regelmäßige Reisen in beide Richtungen haben eine Brücke der Freundschaft zwischen den Kontinenten und Kulturen geschlagen und eines auch immer wieder ganz deutlich gemacht: Gottes Prioritäten des christlichen Lebens sind überall dieselben, ob in Deutschland oder in Tansania: Liebe, Gottvertrauen, Demut und Aufrichtigkeit. "Der Berg rief – der Himmel mischte sich ein" – auf diese prägnante Formel bringt Johannes Rau die Entstehungsgeschichte im Rückblick.

Herausforderung
Das Dekanat Hai umfasst 49 evangelisch-lutherische Gemeinden mit über 100.000 erwachsenen Mitgliedern. Zu den ursprünglichen Gemeinden des Bantu-Volkes der Chagga sind in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche junge Gemeinden unter den Maasai in der Steppe hinzugekommen. Einem frischen erwartungsvollen Gemeindeleben stehen im Dekanat Hai gewaltige Herausforderungen entgegen: Krankheiten, Trockenheit, Hunger, kein Geld für Bildung – und auch manchmal die langen Schatten der alten Naturreligionen.

Waisenhilfe
Im Bereich des Partnerdekanats gibt es viele Waisenkinder, die durch die HIV-Infektion Vater oder Mutter oder beide verloren haben. Soweit noch Großeltern da sind, müssen diese die Kinder aufziehen. Das traditionelle soziale System, wonach die Alten von ihren Kindern versorgt werden, funktioniert nicht mehr. Eine Altersversorgung existiert nicht. In dieser Not tut die Kirche für die Menschen, was sie nur kann: Die Gemeinden setzen sich mit Kreativität und geringsten Mitteln für ihre Aidswaisen ein. Es gibt viele kleine Projekte, deren Erlös der Waisenarbeit zugute kommt – da wird ein Gästehaus gebaut, dort eine gemeindeeigene Kuh angeschafft, eine Kaffeeplantage bewirtschaftet, ein Obstgarten angelegt, der Früchteverkauf ermöglicht, es werden Kleinkredite vergeben oder auch das Betreiben einer Molkerei oder Seilerei ermöglicht.

In Kimashuku nahe dem Dekanat hat Dekan Aminirabi Swai 2011 mit Hilfe des Rothenburger Dekanats ein Internat für Waisenkinder und Kinder aus ärmsten Haushalten gegründet. Dort können sie kostenlos leben und die nahe gelegene Schule der Rafiki-Foundation besuchen. In Kalali ist ein Waisenhaus erbaut worden mit angeschlossener Ausbildungsstätte für Sozialarbeiterinnen und pädagogische Kräfte.)

Landwirtschaftliche Projekte
Die Regenzeiten in Ostafrika verschieben sich oder bleiben ganz aus. Die Flüsse vertrocknen und der Mais verdorrt schon kurz nachdem er aus der Erde kommt. Die Menschen leiden – die Maasai in der Steppe ganz besonders. Die Rinder des Hirtenvolkes verhungern, Wasser ist Luxus geworden. Es wird jedes Jahr schlimmer. "Wir wissen nicht mehr wie wir die Maasai ernähren sollen!" Nach der großen Dürre- und Hungerkatastrophe 2009/2010 begann ein Nachdenken über nachhaltige Ernährungshilfe, die sich nicht darin erschöpfen kann, nur Jahr für Jahr Geld für Mais zu spenden. In der Steppe wurde ein Landwirtschaftsprojekt gestartet, bei dem interessierten Familien geholfen wurde, mit Hybridbananen im Mehrfruchtbau mit Süßkartoffeln, Maniok und Straucherbsen Trockenheits-resistente Farmen zu gründen. Dieses Projekt hat in den vergangenen Jahren an manchen Orten voll eingeschlagen und weitet sich immer noch aus. An anderen Stellen war der Erfolg nicht so nachhaltig.

2015 hat das Dekanat Hai in Boloti in der Nähe des Dekanats am Westhang des Kilimanjaro eine Landwirtschaftsschule ins Leben gerufen. Dort werden mehrmals im Jahr Multiplikatoren aus allen 49 Gemeinden des Dekanats Hai zusammen geholt, um Tages- oder Wochenendkurse zu landwirtschaftlichen Fortbildungsthemen durchlaufen. Dieses neue Wissen vermitteln die Multiplikatoren wiederum zuhause in den jeweiligen Gemeinden.

Dekanatsdiakon und diakonische Komitees
Das Dekanat Hai beschäftigt einen Dekanatsdiakon, mitfinanziert durch das Rothenburger Dekanat, der für die Nöte des gesamten Dekanats zuständig ist. Diakon Christian Lyimo ist unermüdlich mit dem Motorrad im weitläufigen Dekanat Hai unterwegs und betreut zusammen mit den gemeindlichen diakonischen Komitees vor Ort die hilfsbedürftigen Menschen.

Im Dekanat Hai sind Silos für Mai und Bohnen angeschafft worden. In den trockensten Regionen der Maasai-Steppe wie in Nomeuti helfen auch die Projektfelder nicht. Immer wieder kommen die Menschen zum Dekanat und brauchen Unterstützung. Für die Füllung der Silos fühlt sich das Rothenburger Dekanat verantwortlich. Hilfe von hier kann Leben retten. Schon mit einem Sack Mais kann eine sechsköpfige Familie einen Monat lang ernährt werden!

Ausbildung macht zukunftsfähig
Das Rothenburger Dekanat hat schon früh begonnen, Kindergärten und Schulen zu unterstützen. Etwa die Schule Lerai in der Maasaisteppe, wo den Kindern eine solide Schulbildung vermittelt wird. Mit dem Bau einer Küche aus Mitteln des Rothenburger Dekanats wurde den hungrigen Kindern eine warme Mahlzeit am Tag ermöglicht.

Das Herzstück der Partnerschaft ist die Handwerkerschule in Hai. Ihre Bedeutung ist in einem Umfeld, in dem 90% der jungen Leute nach der Schule arbeitslos sind, gar nicht hoch genug einzuschätzen. In einem dreijährigen qualifizierten Unterricht werden auf der staatlich voll anerkannten Schule jährlich zwischen 260 und 300 junge Menschen zu Schneidern, Elektrikern, Schreinern, Maurern und Schlossern ausgebildet. Die neueste Sparte ist die Ausbildungsrichtung Hauswirtschaft und Hotelmanagement. Die Leitung der Schule liegt in den kompetenten Händen des Rothenburger Berufsschullehrers Reiner Kammleiter, der auch eine Orgelwerkstatt betreibt, seiner Frau Barbara und einer einheimischen Lehrkraft. Nach ihrer Ausbildung können die jungen Leute ihren Lebensunterhalt selbst verdienen und damit in der Regel noch ihre ganze Großfamilie versorgen. Ganz "nebenbei" haben sie im lebenskundlichen Unterricht noch Wichtiges über die Vermeidung von Aids gelernt. Das Dekanat Rothenburg übernimmt für bedürftige Jugendliche regelmäßig eine Anzahl von Stipendien, seit 2017 sind es 20 Stipendien pro Jahr à 500 Euro.

Dass die Partnerschaft nicht nur ein "one-way"-Unternehmen ist, zeigen die Orgeln, die von Hai nach Rothenburg geliefert worden sind: Schon lange gibt es die tansanische Orgel in der Friedhofskapelle, 2009 wurde die zweite Orgel aus Hai in der Oestheimer Kirche eingeweiht. Sie besitzt 1200 Pfeifen aus tansanischen Hölzern. Die neueste tansanische Orgelerrungenschaft war im September 2018 eine kleine Orgel für die Kapelle in Reichelshofen.

Vielfältige Unterstützung
Über die Jahrzehnte sind unzählige Nähmaschinen für die Handwerkerschule und viele Hilfsgüter dank des Einsatzes von Fritz Uhl und seiner Helfer nach Tansania geschifft worden. Dazu sind große Spendensummen geflossen. In der heutigen Umbruchsituation, bedingt nicht zuletzt auch durch die Notwendigkeit, sich auf Klimawandel und Hungerkatastrophen einzustellen, ist unsere Hilfe mehr denn je gefragt. Dabei sind neue Ideen nötig und es müssen neue Wege beschritten werden. Ein wichtiger Aspekt hierbei ist es auch, das Interesse der jungen Generation für das Thema der Partnerschaftsarbeit zu wecken. Deshalb wurde im Sommer 2008 unter der Leitung der Partnerschaftsbeauftragten ein Jugendworkcamp durchgeführt, bei dem deutsche und tansanische Jugendliche zusammen an einem Bauprojekt auf dem Gelände des kirchlichen Einkehrzentrums Lyamungo arbeiteten. Noch ist das Einkehrzentrum in Lyamungo nicht fertig - die tansanischen Mühlen malen langsamer - aber der Bau ist wieder in vollem Gange.